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Von "handlungsorientierter Aubildung" 1995 zur "ganzheitlichen handlungsorientierten beruflichen Rehabilitation" 1999: Nur ein Etikettenwechsel?

von Wolfgang Seyd, Ausg. 1/2-1999

 
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Als die BFW-Geschäftsführer das GbRE-Entwicklungsprojekt am 22.6.95 beschlossen, waren - zugegeben - lediglich die Konturen des Begriffs "ganzheitliche berufliche Rehabilitation" präsent. Auf Fragen wie "Was muss man anders machen, damit es 'handlungsorientiert' genannt werden kann?" oder "Was unterscheidet berufliche Rehabilitation von ganzheitlicher, handlungsorientierter beruflicher Rehabilitation?" oder auch "Was gehört alles zur ganzheitlicher, beruflicher Rehabilitation, was muss man beachten, was bedenken, was verändern, was kann man beibehalten?" mussten wir, musste ich in erster Linie auf 'theoretisches' Gedankengut zurück greifen. Ich kann mich noch gut an den Hilferuf eines Geschäftsführers im Ausschuss 'Weiterbildung und Forschung' erinnern: "Kann man denn nicht einmal aufschreiben, was unter dem Stichwort 'Handlungsorientierung' erlaubt ist und was vermieden werden muss?" Natürlich konnte man das, auch 1995 schon. Aber ich hatte ein wenig 'Bauchschmerzen', nicht weil mir nichts zu dem Thema eingefallen wäre, sondern weil mit jeder Konkretisierung auch zugleich eine Fixierung, eine Einengung verbunden ist. Und Einengungen mögen Pädagogen gar nicht. Sie wollen in der Arbeit mit dem Jetzt zugleich die Entwicklungsmöglichkeiten für das Morgen finden; und sie wollen trotz der Vorgaben, nach denen sie arbeiten - und im Sinne ihres gesellschaftlichen Auftrages auch arbeiten müssen - immer den konkreten Bezug zu den Menschen, mit denen sie Lernarbeit leisten, halten und deren Vorkenntnisse, Interessen, Neigungen, Bedürfnisse etc. nicht von den Vorgaben einschnüren lassen.

Essentials

Ich habe trotzdem einen Vorschlag erarbeitet: Die "Essentials". Das waren acht Strukturmerkmale, vier davon entlehnt bei den Berliner Didaktikern (dort hießen sie 1962 Intentionalität, Thematik, Methodik, Medien), einer hinzugefügt nach Wolfgang Schulz` Weiterentwicklung zur Hamburger Didaktik: Lernerfolgskontrolle - und zwei der Pädagogischen Psychologie entlehnt: Selbstverständnis und Kommunikationsrichtung. Das achte Merkmal war der Ausweitung unserer didaktischen Perspektive aus der reinen Ausbildungsarbeit auf die didaktische Planung geschuldet: Lernorganisation hieß das Strukturmerkmal und meinte die Öffnung aus dem engen Fächerzusammenhang in eine Lernbereichsebene.

Rehabilitationsdidaktische Entscheidungsfelder

Heute gliedern wir anders. Im Laufe der 31/2 Jahre Erfahrungen im GbRE-Entwicklungsprojekt haben sich für uns fünf komplexe rehabilitationsdidaktische Entscheidungsfelder herausgebildet. Wir werden sie der Gliederung unseres Abschlussberichtes unterlegen. Sie lassen sich als Ringe darstellen, wie doe Grafik zeigt. Ring 1 ist Voraussetzung für Ring 2, Ring 2 zugleich für Ring 3 usw.:

RehabilitandenProfessionalitaetRahmenbedingungenZiele und EinstellungenLernende Organisation

Ganzheitliche handlungsorientierte berufliche Rehabilitation erfordert demnach:

BFW als lernende Organisation

1. eine besondere Ausrichtung der gesamten Institution BFW in dem Sinne, wie man heute "lernende Organisationen" charakterisiert: Als soziale Bildungsunternehmen, die sich ihres enormen fachlichen und personellen Potentials bewusst sind und zugleich die Notwendigkeit ständiger Weiterentwicklung in einem Klima gegenseitiger Innovation spüren und ausstrahlen. Sie sind

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Ziele und Einstellungen

2. ausgestattet mit Mitarbeitern, deren individuelle Ziele und Einstellungen mit der institutionellen Aufgabe einerseits, andererseits aber auch mit den Bedürfnissen und Interessen der Teilnehmer an einer umfassenden Qualifizierung hin zu beruflicher Handlungskompetenz konform gehen. Diese Mitarbeiter verstehen sich zugleich als soziale Bildungsexperten wie als Vertreter ihrer jeweiligen Fachdisziplin wie als Mitglieder interdisziplinärer Teams, über die Rehabilitationsarbeit angebahnt, gesteuert, koordiniert, reflektiert und ständig verbessert wird. Auf der Grundlage der Teamorganisation allgemein und ganz besonders dieses Teamverständnisses werden.

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Rahmenbedingungen

3. Rahmenbedingungen entwickelt, unter denen sich ganzheitlich und handlungsorientiert wirken lässt. Rahmenbedingungen betreffen immer Personen, Räume, Ausstattungsgegenstände und (Arbeits-)Zeiten. Personen müssen qualifiziert und engagiert sein, sie müssen Spielräume für die adressatengerechte und sachbezogene Aufgabenerfüllung besitzen, die Räume und Ausstattungsgegenstände müssen die Voraussetzungen für gemeinsame Lernplanung, für aktivierende Lernformen wie Projektarbeit, Rollenspiel, aufgabengesteuertes Lernen, Fallstudienbearbeitung etc. bieten, die Arbeitszeiten müssen individuelle Teilnehmerbetreuung ebenso zulassen wie das Zusammenkommen im Reha-Team. Sie müssen ein ausgewogenes Verhältnis von Vorbereitung, Gestaltung und Nachbereitung ermöglichen. Geeignete Rahmenbedingungen sind für die beiden nachfolgenden Kernfelder ganzheitlicher, handlungsorientierter beruflicher Rehabilitation erforderlich:

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Professionalität im Reha-Team

4. professionelle Arbeit im Reha-Team. Professionalität drückt sich aus in der Erfüllung der Kriterien Funktionalität, Identität, Kommunikation, Transparenz und Effizienz (Wirtschaftlichkeit). Reha-Teams sind nicht aus sich heraus funktional, sie stiften nicht aus sich heraus Identität, sie stellen nicht aus sich heraus fruchtbare Kommunikationsbeziehungen her, sie liefern nicht aus sich heraus Transparenz, und effizient sind sie aus sich heraus schon lange nicht. Nein, es bedarf der Ausfüllung der "Hülle Reha-Team". Es bedarf eines konkreten, auf die Menschen und die Situation und die Aufgaben passenden "Teamdesigns", es bedarf einer Verständigung über die Ziele und Aufgaben des je konkreten Reha-Teams, über die Aufgabenerledigung, über die Funktionen der Mitglieder, über ihre Wünsche, Erwartungen, Forderungen, Ängste, Befürchtungen usw.. Nicht zuletzt bedarf es eines Abgleichs zwischen den Aufgaben und Spielräumen des einzelnen Mitgliedes und der Aufgaben, die mit dem Team und in dem Team erledigt werden, und der Spielräume, die das Team seinen Mitgliedern belässt.

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Arbeit mit den Rehabilitanden

5. Letztlich entscheidend für den Erfolg beruflicher Rehabilitation ist bei aller Betonung der Reha-Teams, der Rahmenbedingungen, der personellen Ziele und Einstellungen sowie des institutionellen Entwicklungsstandes immer die konkrete, die "Alltagsarbeit" mit den Rehabilitanden. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Aber so selbstverständlich ist manches in der Praxis noch nicht: Dass Rehabilitanden nicht nur Empfänger didaktischer Wohltaten sind, dass sie sich selbst aktiv in die Gestaltung gemeinsamer Lernprozesse (gemeinsam in zweierlei Richtung: bezogen auf die Lehrgangskollegen und auf die BFW-Mitarbeiter) einbringen, dass die Einstellung zum Menschen ungleich wichtiger für Lernerfolge ist als der Sachverstand der Beteiligten, dass aber die Einstellung wiederum kein Ersatz für mangelnden Sachverstand darstellt; das alles gehört zu ganzheitlicher, handlungsorientierter beruflicher Rehabilitation. Wer meint, Handlungsorientierung erschöpfe sich in einer veritablen Dosis Projektarbeit, einem Ventil Jour fixe und einer soziale und individuelle Kompetenzen streifenden Lernerfolgskontrolle mit einer annehmbaren Prise Fördergespräch, der ist auf halbem Wege stecken geblieben. Handlungsorientierung ist mehr als nur eine Methode oder gar ein Sammelsurium didaktischer Techniken. Handlungsorientierung meint letztlich die entschiedene Hinwendung zu einem partnerschaftlichen Lernmodell, bei dem die beiden (ehemaligen) "Parteien" zu einem gemeinsam geplanten, gemeinsam gestalteten, gemeinsam durchlebten und gemeinsam reflektierten Entwicklungsprozess gefunden haben. Und der ist in der beruflichen Rehabilitation nicht auf das Lernen beschränkt; vielmehr umfasst er "den ganzen Menschen" in seiner physischen, sozialen, psychischen und kognitiven Entwicklung.

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Forschungs- und Entwicklungsstrategie

Das alles gilt auch für die Forschungs- und Entwicklungsstrategie im GbRE-Entwicklungsprojekt. Wieweit es in den vergangenen 31/2 Jahren gelungen ist, die hohen Ansprüche an ghbRE und an eine entsprechenden Maximen der Handlungsforschung verpflichteten Wissenschafts- und Entwicklungskonzeption in unserer praktischen Forschungs- und Entwicklungsarbeit einzulösen: Darüber wird der Abschlussbericht zum gbRE-Projekt Auskunft geben, der im Oktober erscheint. Als Vorläufer haben wir die Dokumentation Band 4 heraus gebracht. Sie wird in diesen Tagen an die Geschäftsführer und die Projektlehrgangs-Teams der beteiligten Einrichtungen versandt. Die Lektüre sei allen ans Herz gelegt, die nachschauen wollen, was das GbRE-Projekt an konkreten Erkenntnissen gezeitigt hat. Eine Erkenntnis sollte mit diesem Beitrag schon einmal deutlich gemacht werden: Nach 31/2 Jahren GbRE-Projekt hat sich bei uns ein um vieles klareres Bild von ganzheitlicher handlungsorientierter beruflicher Rehabilitation heraus geschält. Nun ist es Aufgabe der Arbeit in den Leistungspaketen A, B und C, diesem Bild und dem daran und daraus entwickelten Konzept die Umsetzung in den Berufsförderungswerken folgen zu lassen.

Packen wir´s (weiterhin) an!


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