SGB IX - Info fuer Herrn Schiegl


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Abgeschickt von Willi Brand am 30 Juni, 2001 um 18:28:41

Die mit dem SGB IX verbundenen Absichten und wesentliche Neuerungen gegenüber vorhergehenden gesetzlichen Regelungen werden in der folgenden Pressemitteilung des BMA (www.bma.de Dort suchen unter SGB IX) kurz beschrieben. Auf der Website des BMA findet man auch den Entwurf des Gesetzestextes als ladbare Datei. Außerdem gibt es einen Artikel von Wolfgang Seyd zu diesem Thema in einem der letzten Transfer-Infos!
BMA-Pressestelle Berlin, den 17. Januar 2001


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Riester: Teilhabe und Selbstbestimmung sind Leitmotiv der Behindertenpolitik

Bundeskabinett beschließt Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX)
- Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -

Unter dem Leitmotiv "Teilhabe und Selbstbestimmung" hat die Bundesregierung eine Kehrtwende in der Behindertenpolitik eingeleitet. Durch die Einrichtung gemeinsamer Servicestellen aller Rehabilitationsträger auf Kreisebene gibt es künftig wohnortnahe, umfassende und trägerübergreifende Beratung und Hilfe. "Die Servicestellen sind Anlaufstellen, um allen, die eine Rehabilitation brauchen, schnell und unbürokratisch zu helfen. Jeder erhält dort qualifizierte Beratung und Unterstützung - unverzüglich, trägerübergreifend, anbieterneutral und zugleich verbindlich", erklärte Bundesarbeitsminister Walter Riester.

Die Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter - einschließlich chronisch kranker - Menschen an der Gesellschaft soll dabei mit medizinischen, beruflichen und sozialen Leistungen erreicht werden. Für eine einheitliche Praxis der Rehabilitation sorgt eine Vereinheitlichung der Begriffe und Abgrenzungskriterien im SGB IX. Das geht aus dem heute vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf eines Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - hervor.

Von einer verbesserten und zielgerichteten Zusammenarbeit der zuständigen Träger und einer zügigen Erbringung von Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe profitieren alle: Leistungsempfänger, Leistungsträger und Leistungserbringer. Leistungen der Rehabilitation sind Teil-Aufgaben der Kranken-, Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie des Sozialen Entschädigungsrechts, der Jugend- und der Sozialhilfe. Für Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen haben diese Träger 1999 über 39 Milliarden DM aufgewandt, einschließlich Sozialhilfe 53 Milliarden DM.

Um arbeitsunfähigen Leistungsberechtigen eine schrittweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit zu ermöglichen, wird die bisher ausdrücklich nur in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehene Möglichkeit der stufenweisen Wiedereingliederung für alle Bereiche der medizinischen Rehabilitation vorgesehen.

Das bisher nur im Arbeitsförderungsrecht vorgesehene Überbrückungsgeld, das arbeitslosen Menschen bei der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gezahlt wird, wird künftig als neue Leistung für alle Träger eingeführt, die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbringen.

Während der medizinischen und beruflichen Rehabilitation haben Versicherte Anspruch auf Übergangsgeld zur Deckung ihres Lebensunterhalts. Der Anspruch auf diese Leistung ist künftig dem Grunde nach gegeben, unabhängig davon, ob Leistungen stationär, teilstationär oder ambulant erbracht werden.

Neu ist auch, dass hörbehinderte Menschen im Sozialbereich künftig das Recht haben, die Gebärdensprache zu verwenden - auch bei ärztlichen Untersuchungen. Die Kosten für Gebärdendolmetscher sind von der Behörde oder dem Sozialleistungsträger zu tragen.

Die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft zu fördern und dem im Grundgesetz verankerten Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen Geltung zu verschaffen, das ist Ziel des Gesetzentwurfs. "Menschen mit Behinderung dürfen nicht länger Objekt der Fürsorge sein. Sie müssen ihr Leben selbst gestalten können", erklärte Bundesarbeitsminister Walter Riester.

Mit dem nunmehr vorliegenden Gesetzentwurf, der im Dialog mit allen Beteiligten, insbesondere mit den Organisationen der behinderten Menschen, entwickelt worden ist, hat die Bundesregierung in kurzer Zeit das geschafft, was die Regierung Kohl in 16 Jahren mehrmals vergeblich versucht hat: das Recht der Rehabilitation behinderter Menschen weiterzuentwickeln und im Sozialgesetzbuch als weiteres Buch zusammenzufassen. "Das Sozialgesetzbuch IX ist ein gewaltiger Schritt vorwärts auf dem in der Vergangenheit so vernachlässigten Feld der Behindertenpolitik", so Walter Riester.

Die wichtigsten Neuerungen:

Das SGB IX beendet die Divergenz und Unübersichtlichkeit des bestehenden Rehabilitationsrechts.

Insbesondere für behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen wird es einfacher, sich im Rehabilitationsrecht zurecht zu finden. Denn das SGB IX fasst nunmehr die Rechtsvorschriften zusammen, die für mehrere Rehabilitationsträger einheitlich gelten. Damit hat es ein Ende mit unterschiedlichen Regelungen, die heute noch in vielen verschiedenen Gesetzen verstreut sind.


Um eine enge Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger zu gewährleisten, sollen die Träger der Sozial- und der öffentlichen Jugendhilfe entsprechend einer seit langem erhobenen Forderung in den Kreis der Rehabilitationsträger einbezogen werden.

Die Einbeziehung der Sozialhilfeträger in die für alle Rehabilitationsträger geltenden Verfahrens- und Abstimmungsvorschriften kommt insbesondere den Menschen zugute, die Leistungen und Hilfen mehrerer Träger benötigen.


In der Sozialhilfe soll bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Bedürftigkeitsprüfung verzichtet werden.

Künftig kann jeder behinderte Mensch im Bedarfsfalle unabhängig von seinem Einkommen und Vermögen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben der Sozialhilfeträger einschließlich der Leistungen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen in Anspruch nehmen. Dies bedeutet Gleichbehandlung behinderter Menschen bei der Rehabilitation. Von Geburt an behinderte Kinder werden nicht mehr anders behandelt als Kinder, die z.B. im Kindergarten einen Unfall erleiden.


Bei der Ausführung der Rehabilitationsleistungen sollen behinderte Menschen durch erweiterte Wunsch- und Wahlrechte möglichst weitgehenden Raum zu eigenverantwortlicher Gestaltung ihrer Lebensumstände erhalten, z.B. indem
auf die persönliche Lebenssituation der Betroffenen und ihrer Familien sowie auf ihre weltanschaulichen Bedürfnisse bei der Auswahl und Ausführung der Leistungen mehr Rücksicht genommen wird und


die Möglichkeit geschaffen wird, sich die erforderliche Leistung in bestimmten Fällen selbst einzukaufen, auch unter Inanspruchnahme eines persönlichen Budgets.

Streitigkeiten der Rehabilitationsträger untereinander über die Frage der Zuständigkeit sollen nicht mehr zu Lasten der behinderten Menschen sowie der Schnelligkeit und Qualität der Leistungserbringung gehen.

Dem dient ein neues Zuständigkeitsklärungsverfahren, das die zügige Erbringung der erforderlichen Leistungen ermöglichen soll, auch wenn noch nicht abschließend geklärt ist, welcher Träger letztlich zu der Leistung verpflichtet ist. Lange Wartezeiten, die eine erfolgreiche Rehabilitation gefährden, gehören damit der Vergangenheit an.


Beratung und Unterstützung behinderter Menschen sollen durch das neue Instrument der gemeinsamen Servicestellen verbessert werden.

Die Rehabilitationsträger werden verpflichtet, auf Kreisebene gemeinsame Servicestellen einzurichten, die den behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen als Anlaufstelle dienen. Dort sollen sie umfassend und verlässlich beraten werden. Niemand soll mehr weggeschickt werden können mit dem Argument, man sei leider nicht zuständig.

Darüber hinaus erhalten die gemeinsamen Servicestellen umfassende Unterstützungsaufgaben. So haben sie nicht nur über die Leistungen und ihre Voraussetzungen zu informieren, sondern auch den zuständigen Rehabilitationsträger zu ermitteln. Sie sollen bei der Antragstellung helfen und die Betroffenen auch während des Verfahrens bis zur Entscheidung begleiten. Die gemeinsamen Servicestellen sollen auch während der Leistungserbringung Ansprechpartner für die Betroffenen bleiben, wenn es etwa darum geht, zwischen mehreren Rehabilitationsträgern und anderen Beteiligten zu koordinieren und zu vermitteln.


Geschlechtstypische Belastungssituationen für behinderte und von Behinderung bedrohte Frauen sollen abgefangen werden, indem ihre besonderen Bedürfnisse und Probleme berücksichtigt werden.

Vor allem sollen behinderten und von Behinderung bedrohten Frauen gleiche Chancen im Erwerbsleben sowohl im Vergleich zu nichtbehinderten Frauen als auch im Vergleich zu behinderten und von Behinderung bedrohten Männern gesichert werden. Wichtig hierfür ist, dass ihnen durch geeignete, wohnortnahe und auch in Teilzeit nutzbare Angebote gleichwertige Möglichkeiten der medizinischen Rehabilitation und der Teilhabe am Arbeitsleben eröffnet werden.


Die ambulante Form der Leistungserbringung soll gestärkt werden, indem geregelt wird, dass die Rehabilitationsträger die Leistungen ambulant oder teilstationär zu erbringen haben, wenn die persönlichen Umstände des Betroffenen es erfordern.

Dies kommt vor allem den behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen zugute, die stationäre Leistungen nur schwer oder gar nicht in Anspruch nehmen können, wie z.B. alleinerziehenden Frauen, Teilzeitbeschäftigten oder selbständigen Handwerkern.


Um dem Hilfebedarf besonders betroffener schwerbehinderter Menschen bei der Erlangung eines Arbeitsplatzes gerecht zu werden, sollen diese gegenüber allen Rehabilitationsträgern, die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbringen, einen Anspruch auf notwendige Arbeitsassistenz erhalten.


Gehörlose Menschen sollen im Sozialbereich die Gebärdensprache verwenden können. Dies gilt für das Sozialverwaltungsverfahren, aber auch bei der Ausführung aller Sozialleistungen.

Die notwendigen Rehabilitationsdienste und -einrichtungen sowie die Verwaltungsgebäude der Rehabilitationsträger müssen barrierefrei zugänglich sein.

Der von der Bundesregierung beschlossene Gesetzentwurf wird nun zunächst dem Bundesrat zugeleitet. Das Inkrafttreten des Gesetzes ist für den 1. Juli dieses Jahres vorgesehen.




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